Wolfgang Rathert (Lehrbeauftragter FH Graubünden), Sabine Sohn (Lehrbeauftragte FH Graubünden)

"Responsible Leadership" ist unter Bedingungen wirtschaftlichen Wettbewerbs und eines sich verändernden Umfelds eine komplexe Aufgabe. Studierende darauf vorzubereiten, sich unter solchen Umständen als verantwortungsvolle und kompetente Akteure und Entscheidungsträger zu verhalten, bedeutet deshalb, ihnen beizubringen, in Komplexität zu navigieren. Komplexe Aufgaben und Umwelten sind durch Ungewissheit und Mehrdeutigkeit gekennzeichnet, Interventionen haben unbekannte Risiken und Nebenwirkungen. Das macht es schwierig, über wirksame Handlungsalternativen zu entscheiden und die Umsetzung zu koordinieren. Im Bereich des sozialen (Unternehmens-)Umfelds sind Unterschiede in den Interessen, Werten, Überzeugungen und Bedürfnissen der Akteure (d. h. die "Mindsets", siehe Abb. 1) die dominierenden Quellen von Unsicherheit und Mehrdeutigkeit. Diese Faktoren bestimmen Absichten, Handlungen sowie Interpretationen und emotionale Reaktionen auf Ereignisse und auf die Handlungen anderer Akteure (Kollegen, Kunden, Interessengruppen, usw.). Angesichts der Natur dieser Einflussfaktoren stellen "Mindsets" eine doppelte Herausforderung dar: • Weite Teile des eigenen Mindsets sind in der Regel unbewusst und dem "Besitzer" selbst unbekannt. • Entsprechend werden Mindsets auch nicht kommuniziert und sind anderen gegenüber ebenfalls unbekannt. Die mentalen Modelle und Weltanschauungen der Akteure sind die wichtigste Grundlage sowohl für individuelle Urteile und Überzeugungen als auch für die kognitive und emotionale Zustimmung oder Ablehnung von Initiativen und Handlungen anderer Akteure. Sie spielen eine entscheidende Rolle im Prozess des 'Sensemakings' in Komplexität. Daher ist es in Situationen, die Zusammenarbeit, Vertrauen und kollaboratives Handeln erfordern, von zentraler Bedeutung, Zugang zu diesen mentalen Modellen zu erhalten und sie kommunizieren und diskutieren zu können. "Kollaboratives Mapping" ist eine soziale Simulation, die einen Prozess der Visualisierung von individuellen und kollektiven mentalen Modellen unterstützt. Das Ergebnis dient als 'Boundary Object' und kann in Entscheidungsprozessen genutzt werden, um die Werte und Überzeugungen beteiligter und betroffener Akteure zu reflektieren und eine abgestimmte Strategie zur Intervention in ein komplexes System zu entwickeln. Das Kollaborative Mapping besteht aus einem Toolset, welches ein "visuelles Vokabular" bereitstellt, das als (visuelle) Sprache verwendet werden kann, um individuelle und (ein) kollektives Modell des Systems zu artikulieren (co-creation). Ein Skript für die Dramaturgie der Anwendung hilft einer Moderation (z.B. Dozierende), eine Zielgruppe durch diesen Entwicklungsprozess zu führen. Die Wirkungen der Anwendung des kollaborativen Mappings im Kontext des Studiums:

  1. Die Studierenden lernen (by doing) ein Vokabular, um ihr Mindset zu beschreiben und zu artikulieren.
  2. Mit Hilfe des Toolsets können individuelle Mindsets visualisiert und somit selbst reflektiert werden.
  3. Durch den Austausch in Gruppen erhält jedes Teammitglied Zugang zu den Mindsets der anderen Teilnehmenden.
  4. Die Gruppe lernt, das Toolset und den Prozess zu nutzen, um ein kollektives, gemeinsames mentales Modell der relevanten Situationen zu erstellen. In der Praxis kann eine verfeinerte Version des entwickelten gemeinsamen mentalen Modells als Kommunikationsinstrument verwendet werden, um die Ergebnisse des Modellierungsprozesses anderen Parteien (z.B. Mitarbeitenden) zu vermitteln. Format In dem Workshop wird das Konzept des "Kollaborativen Mappings" kurz vorgestellt. In einem Praxisteil werden einzelne Phasen des Prozesses mit den Teilnehmenden durchgespielt. Den Abschluss bildet ein Debriefing der Erfahrungen mit und ein Ausblick auf Szenarien der Weiterentwicklung der Methode.

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